Presseerklärung zur Vorratsdatenspeicherung
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an der Umsetzung [1] der EU-Richtlinie 2006/24/EG [2] zur flächendeckenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von Verkehrs– und –standortdaten auf Vorrat. Dazu gehört die Speicherung, wer wann an wen eine E–Mail oder SMS gesandt hat, wer wann mit wem telefoniert hat und bei Mobiltelefonen die geographische Position (Funkzelle), in der ein Telefonat begonnen oder eine SMS abgesandt wurde. Bei der Einwahl in das Internet sollen die zugewiesene IP–Adresse und die Dauer der Einwahl gespeichert werden.
Diese Daten sollen
deutschen Ermittlungsbehörden sechs Monate lang zur Verfügung stehen. Begründet
wird das neue Gesetz mit der Pflicht des Staates, für die Sicherheit der Bürger
zu sorgen. Die Vorratsdatenspeicherung sei erforderlich, um schwere Straftaten
und Terrorismus zu bekämpfen bzw. aufzuklären. Dabei werden mehrere wichtige
Fakten und Konsequenzen ignoriert:
- Die Speicherung all dieser Daten stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre aller Bürger dar: Nicht nur die alltägliche private und berufliche Kommunikation, sondern auch Kontakte zu Journalisten, Seelsorgern, Selbsthilfegruppen, religiösen und politischen Vereinigungen etc. werden verfolgbar.
- Die Verhältnismäßigkeit ist nicht gewahrt. Allein in Deutschland werden 80 Millionen Menschen pauschal unter Verdacht gestellt und überwacht.
- Wer für die Durchführung einer Straftat Telekommunikationsdienste nutzen will, wird sich den Überwachungsmaßnahmen zu entziehen wissen. So beweist bereits die heute nicht mehr zu vernachlässigende Internetkriminalität, dass Straftäter den Sicherheitsexperten immer ein Stück voraus sind.
- Selbstmordattentätern gegenüber bleibt Abschreckung wirkungslos.
- Um ein Verbrechen verhindern zu können, müssen die Ermittlungsbehörden zumindest ansatzweise Kenntnis der Beteiligten haben. Dann aber können sie gezielt vorgehen, ohne die Kommunikationsspuren aller Bürger horten zu müssen.
- Bewegungs– und Kommunikationsprofile haben eine mächtige wirtschaftliche Bedeutung; die Sicherheit vor einem Missbrauch der hochsensiblen Daten jedoch kann nach heutigem Ermessen nicht garantieren werden [3].
- Ist die gesetzliche Möglichkeit für eine derart umfassende Überwachung erst geschaffen, kann sie leicht auf inhaltliche Daten der Kommunikation erweitert werden.
Das Forum
InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung spricht sich
entschieden gegen eine pauschale und flächendeckende Speicherung von Verkehrsdaten
auf Vorrat aus. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Umsetzung der
Richtlinie Nr. 2006/24/EG in Deutschland zu stoppen sowie sich auf EU–Ebene für
den Erhalt der demokratischen freiheitlichen Grundrechte und gegen die
Umsetzung dieser Richtlinie in den übrigen EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen.
Weiterhin fordern wir die Bundesregierung auf, zunächst die bereits heute von Überwachungsmaßnahmen Betroffenen vollständig über diese Maßnahmen zu informieren.
Das FIfF unterstützt die Aktivitäten des „Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung“ [4].
Quellen:
[1] www.bmj.bund.de/files/-/2047/
[2] eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_105/l_10520060413de00540063.pdf
[3] www.daten-speicherung.de/wiki/index.php
“Fälle von Datenmissbrauch und –irrtümern“
[4] www.vorratsdatenspeicherung.de