Mitglieder von Vereinen und Verbänden kritisieren nach einem Gespräch mit Vertretenden des Justiz- und des Wirtschaftsministeriums die aktuellen Änderungen am Entwurf einer ePrivacy-Verordnung. Der Schutz von Betroffenen vor Online-Tracking in Internet-Anwendungen soll durch die jüngsten Änderungen erheblich geschwächt und mit Hilfe einer Öffnungsklausel die Möglichkeit standardmäßiger, elektronischer Filter für persönliche Kommunikation geschaffen werden.
Die Bundesregierung tritt nach eigenen Aussagen in den Verhandlungen zur ePrivacy-Verordnung für Verbesserungen des letzten Vorschlags der österreichischen Ratspräsidentschaft ein, wie für die Begrenzung der zweckfremden Nutzung von Kommunikationsdaten oder datenschutzfreundliche Voreinstellungen in Browsern.
Einige EU-Regierungen wollen nun aber mit der Einführung der ePrivacy-Verordnung Internetverbindungen, E-Mails und Chat-Nachrichten
auf unzulässige Inhalte durchsuchen lassen. Zum Auffinden von
„kinderpornografischen“ und „terroristischen“ Inhalten sollen
Internetprovider, E-Mail-Anbieter und Anbieter von Messaging-Diensten
nach eigenem Ermessen die Internetnutzung und versandte Nachrichten
ihrer KundInnen verdachtslos und flächendeckend filtern dürfen. Das in der
geplanten ePrivacy-Verordnung vorgesehene Telekommunikationsgeheimnis
soll insoweit aufgehoben werden. Durch nationale Gesetze könnte diese
"E-Mailzensur" zudem verpflichtend eingeführt werden.
- Bundesministerium der Justiz, CC BY-SA-3.0 Jörg Zägel
In
einem Gespräch auf Einladung des Bundesjustizministeriums gestern in
Berlin kritisierten Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen
wie etwa das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) einen solchen Versuch der Prinzipienumkehr
scharf. Mit Blick auf übliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselungstechnologie sind die
insbesondere von Großbritannien vorangetriebenen Pläne, mit denen
sich am Donnerstag eine Ratsarbeitsgruppe befassen soll, wirkungslos
und kontraproduktiv, so die eingeladenen Organisationen.
Auch die Ratspläne zur ausufernden Sammlung und Weitergabe von Positions- und Verbindungsdaten durch Telekommunikationsanbieter sowie die Erlaubnis, das Surfverhalten von Menschen für Werbezwecke (Tracking) zu durchleuchten, werden kritisch gesehen.
Stattdessen forderten die VertreterInnen der Zivilgesellschaft ein Recht auf
datenschutzfreundliche Browsereinstellungen, einen besseren Schutz vor
Datenweitergabe und Abhören sowie einen zügigen Abschluss der verschleppten ePrivacy-Reform.
„Auch die Fokussierung auf das nachweislich untaugliche Schutzkonzept der 'Einwilligung' ist sehr zu kritisieren. Wir als Gesellschaft sollten lieber generelle Grenzen für Tracking und Profilbidung einziehen, damit alle Menschen geschützt werden und nicht nur die, die sich datenschutzfreundliche Produkte leisten können.“ ergänzt Rainer Rehak, Informatiker und stellvertretender Vorsitzender des FIfF.
Das federführende Wirtschaftsministerium stellte auch ein baldiges Nachfolgegespräch in Aussicht. Öffentlich wurde vielfach kritisiert, dass bislang fast nur mit Wirtschaftsverbänden über die ePrivacy-Reform gesprochen wurde. Die Mitglieder von Vereinen und Verbänden begrüßen auch, dass nun eine Veröffentlichung der im Rat eingebrachten Formulierungsvorschläge der Bundesregierung geprüft wird.
Der Wille scheint in der Regierung weiterhin groß zu sein, die ePrivacy-Verordnung zu einem Abschluss zu bringen. Aus Sicht der Verbände ist das überfällig. Die Vertretenden der Vereine und Verbände fordern, digitale Bürgerrechte zu respektieren und zu stärken, wie im Verordnungsentwurf des Europäischen Parlaments vorgesehen.
An
dem Gespräch teilgenommen hatten Vertreter vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung (AK-Vorrat), Berufsverband der Datenschutzbeauftragten
Deutschlands (BvD), Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), die Datenschützer Rhein Main, Digitalcourage, Digitale Gesellschaft, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), ISOC.DE, Netzwerk Datenschutzexpertise und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Pressekontakt:
Rainer Rehak
rainer.rehak [ät] fiff.de
Weitere Informationen:
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V.
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FIfF) e. V. ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von
knapp 700 Menschen, die sich kritisch mit Auswirkungen des Einsatzes
der Informatik und Informationstechnik auf die Gesellschaft
auseinandersetzen. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend in
informatiknahen Berufen, vom IT-Systemelektroniker bis hin zur
Professorin für Theoretische Informatik. Das FIfF wirkt seit 1984 in
vielen technischen und nichttechnischen Bereichen der Gesellschaft auf
einen gesellschaftlich reflektierten Einsatz von informationstechnischen
Systemen zum Wohle der Gesellschaft hin. Zu unseren Aufgaben zählen wir
Öffentlichkeitsarbeit, sowie Beratung und das Erarbeiten fachlicher
Studien. Zudem gibt das FIfF vierteljährlich die „FIfF-Kommunikation –
Zeitschrift für Informatik und Gesellschaft“ heraus und arbeitet mit
anderen Friedens- sowie Bürgerrechtsorganisationen zusammen.