Bericht zur FIfF Jahrestagung 2008: "Krieg und Frieden - digital"
Am 7. und 8. November 2008 fand in der Couvenhalle an der RWTH Aachen die Tagung „Krieg und Frieden – digital. Informatik und Informationstechnik in einer konfliktreichen Welt“ statt. Die Tagung wurde als Gemeinschaftsveranstaltung vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF), dem Aachener Friedenspreis e.V. und den Interdisziplinären Foren der RWTH Aachen – Forum Technik und Gesellschaft und Forum Informatik - organisiert.
In der ersten Tagungssektion am Freitag Abend Kriegstechniken – Techniken des Krieges legten Jürgen Altmann (Dortmund) und Ralf Rotte (Aachen) aus ihrer jeweiligen fachlichen Sicht den Grundstein für das Tagungsthema und die Basis für die folgenden Vorträge. Als Physiker bot Jürgen Altmann in seinem Beitrag einen umfangreichen und eindrucksvollen Abriss über die Geschichte und die aktuellen Trends der IT- unterstützten Militärtechnik. Er zeigte einerseits auf, dass es eine Tendenz zur Autonomisierung von Waffensystemen mit den damit verbundenen moralischen Problemen gebe, betonte aber zugleich, dass durch die Nutzung von Technik Vertrauen hergestellt werden könne, indem Abrüstungsanstrengungen technisch unterstützt werden.
Die gesellschaftliche Dimension der technologischen Entwicklungen rückte der Politikwissenschaftler Ralf Rotte in den Mittelpunkt seines Beitrags. Mit dem Begriff revolution of military affairs (RMA) beschrieb Rotte zunächst den radikalen Wandel in der Kriegsführung seit dem Ende des Kalten Krieges, in dem Technik den Einsatz von Menschen ersetzten soll. Diese „Technologiedominanz“ des Westens und die zunehmende Asymmetrie in der Kriegsführung von Staaten und Gruppen auf unterschiedlichem technischem Niveau führe zu einem permanenten Zustand zwischen Krieg und Frieden, der eine neue Art der Unsicherheit hervorrufe. Die Gefahren bestünden, laut Rotte, in einer Militarisierung der Außenpolitik von Seiten des Westens, der Nutzung von Technologien als Strategieersatz, sowie einer damit einhergehenden Entpolitisierung der Gesellschaft, die sich die Frage nach Krieg oder Frieden nicht mehr stelle. Neben den Fragen der Technik spielten auch wirtschaftliche Fragen eine Rolle. Laut Rotte bedeute die „Verbilligung“ des Krieges eine Gefahr, weil die Schwelle zum Kriegseintritt sinke. Andererseits verwies Altmann darauf, dass ökonomische Abhängigkeiten Friedensstrukturen stärken können.
Der zweite Tag, der sich in eine Sektion über konkrete Anwendungen der IT und deren Nutzen und Missbrauch, sowie eine Sektion mit Arbeitsgruppen gliederte, wurde vom Robotik-forscher Noel Sharkey von der Universität Sheffield eröffnet. In seinem engagierten Vortrag setzte er sich mit der Vorstellung auseinander, Kriegsethik in autonome Roboter einzubringen. Solche technologischen Entwicklungen würden durchaus Vorteile mit sich bringen, etwa dass Roboter keine Müdigkeit verspürten. Allerdings seien bestimmte Ansprüche an ethisch handelnde Roboter, wie die Fähigkeit im Ernstfall zwischen zivilen und militärischen Personen unterscheiden zu können, technisch nicht realisierbar. Sharkey zeigte in seinem Beitrag die verschiedenen Diskursebenen der artificial intelligence-Forschung auf, in der auf der einen Seite Roboter als moralisch Kämpfende gesehen werden, diese Ansprüche auf der anderen Seite aber technisch unmöglich umsetzbar seien. Es müsse von Seiten der Forschung verständlich gemacht werden, dass die artificial intelligence von Robotern innerhalb der nächsten 50 Jahre nicht an die Intelligenz von Menschen heran reichen werden. Dies sei eine wichtige Voraussetzung, um verantwortungsvoll mit technischen Innovation im militärischen Bereich umzugehen.
Der Technikhistoriker Stefan Krebs brachte einen neuen Aspekt in die bisherige Diskussion: die Rolle der Medien. Anhand eindrucksvoller Beispiele und fundierter theoretischer Erläute-rungen zeigte er die enge Verbindung von Science-Fiction und Wissenschaft auf. Science-Fiction sei in erheblichem Maße und auf verschiedenen Ebenen an der Konstruktion von Robotern beteiligt. So böten besonders Science-Fiction Filme Wissenschaftlern Räume zum Ausprobieren an, um Ideen ohne Konsequenzen durch denken zu können. Über kritische Diskussion von Science-Fiction Filmen wirken Filmkritiken wiederum zurück in die Wissenschaftsdiskurse. So entstehe eine diskursive Arena aus wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Akteuren, die die Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verschwimmen lassen – wie auch in Science-Fiction Filmen durch die Bilder die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen.
Einen gelungenen Abschluss der Vorträge boten die Hamburger Journalisten Ilona Koglin und Marek Rohde, die eine eigene Webseite „Für eine bessere Welt“ betreiben. Auf dieser Seite stellen sie beeindruckende globale Beispiele für Friedensaktivitäten vor. So existiert beispielsweise eine Internetplattform zur Vernetzung von Geldnehmern und -gebern von Mikrokrediten, welche im Rahmen von 1-100 US-Dollar an Frauen in der Dritten Welt zur Existenzgründung vergeben werden. Auf der Internetplattform können Kreditnehmer beispiels-weise ihre Projekte vorstellen. Die zweite Tagungssektion schloss so mit konkreten Anwendungsfeldern technologischer Entwicklungen im Bereich der Friedensforschung und -aktivitäten.
Die in der abschließenden Sektion angesiedelten vier Arbeitsgruppen ermöglichten darauf aufbauend den Teilnehmern selbst das Internet als Plattform für Friedens- und Kriegsaktivitäten kennen zu lernen und die Tagung interaktiv zu beenden. Die AG’s ermöglichten beispielsweise die Mitarbeit an einem kritischen Informationsportal zu Rüstungs- und Militärstandorten in Deutschland oder die Recherche und Diskussion über nicht-staatliche Friedensakteure im Internet.
An der Tagung nahmen 80 bis 90 Personen teil, darunter Wissenschaftler und Experten sowie Medienvertreter. Erfreulich war die Teilnahme von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern sowie der Aachener Öffentlichkeit. Für finanzielle Unterstützung danken die Veranstalter proRWTH.
Siehe auch Tagungs-Website!
Vanessa Mai
Forum Technik und Gesellschaft der RWTH Aachen
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