Faire Computer
Saubere IT-Technik? So wird sie verkauft, aber hinter den Kulissen verbergen sich unfaire Arbeitsbedingungen und giftige Herstellungsverfahren in den Produktionsstätten der PCs, Smartphones und Tablets. FIfF öffnet den Vorhang.
Das Blog "Faire Computer – Für eine sozialverträgliche IT-Produktion" finden Sie unter blog.faire-computer.de
Einführung
Green-IT kennt inzwischen jeder: das Bestreben, vor allem den
Stromverbrauch von Computern und ihrer Peripherie zu senken und dies als
Verkaufsargument zu nutzen. Auf der CeBIT 2009 steht Green-IT ganz
vorne auf der Liste der Podiums- und Produktthemen. Deutschland, heißt
es, muss hier Vorreiter werden, und Geld sparen tut es auch noch.
Computer sind aber nicht nur nicht green, sondern auch unfair, von der Rohstoffgewinnung bis zu ihrer Verschrottung. Unfair spart nämlich auch Geld, denn Geiz ist bekanntlich geil und blöd sind wir auch nicht. Dass wir dabei ganz eigennützig Mitmenschen ausbeuten, die uns diesen Computer herstellen, transportieren, verkaufen und entsorgen ist leider gar kein Thema. Sozial ist was Arbeit schafft?
Der Gedanke, faire Produkte anzubieten und zu kaufen, wird zunehmend populär, allerdings eher bei Kaffee und Schokolade, bei Bananen schon länger, zunehmend auch bei Kleidung. Bei Computern und Handys ist dieser Gedanke noch fremd. Ein Angebot an fairer IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) fehlt. Die Welt ist noch am Anfang, ja nicht einmal auf dem Weg, faire Computer herzustellen. Wir Konsumenten haben nicht die Wahl - verändern können wir aber durchaus etwas.
Diese Webseite soll über die unfaire Dimension unserer Technologien aufklären und Alternativen aufzeigen. Zunächst wird der Ist-Zustand anhand der einzelnen Stufen der Herstellung von IKT verdeutlicht, anschließend werden Ansatzpunkte zur Änderung vorgestellt. Begleitet finden sich weiterführende Quellen und relevante Webadressen.
Weiterführendes:
- (Artikel) Cornelia Heydenreich, Christoph Bals: Unschöne Schatten der schönen neuen IT-Welt (http://www.germanwatch.org/zeitung/2008-3-leit.htm)
- (Broschüre) Florian Butollo, Tine Laufer: System Error. Die Schattenseiten der globalen Computerproduktion
(http://www2.weed-online.org/uploads/systemerror.pdf oder zu bestellen
unter
http://www.weed-online.org/publikationen/bestellung/index.html#799437)
Wichtige Kampagnen, die allgemein zu fairer IT arbeiten:
- PC Global: Globale Wertschöpfungsketten in der Computerindustrie (http://www.pcglobal.org/).
Eine Initiative von Weed, Berlin (http://www.weed-online.org/) - Clean IT von Südwind, Österreich (http://www.clean-it.at/)
-
Fair Computer: Initiative von Brot für alle / Fastenopfer, Schweiz (http://www.fair-computer.ch)
- Good Electronics, ein internationales Netzwerk für Menschenrechte und Nachhaltigkeit in der Elektrobranche (http://goodelectronics.org/)
Ist-Zustand: Wertschöpfungskette
Die Wertschöpfungskette bei der IKT-Herstellung ist, grob skizziert:
- Rohstoffgewinnung in Südamerika oder Afrika
Transport vor allem nach Südostasien oder Latei-/Südamerika zur...
- Produktion in Sonderwirtschaftszonen durch verschiedene
Vertragspartner in drei Schritten: Bauteilherstellung, Zusammenstellung,
Lötung, Montage der Geräte
Transport vorwiegend nach Nordamerika, Japan und Europa zwecks...
- Verkauf durch Markenfirmen, Distributoren, Discounter
- Nutzung privat, an Arbeitsplätzen und öffentlichen Einrichtungen
- Verschrottung und Rohstoffrückgewinnung.
Rohstoffe
Computer und das Internet sind alles andere als immateriell. Viele auch seltene Metalle werden in Computer verarbeitet. Diese kommen vor allem aus Afrika und Südamerika. Die Rohstoffgewinnung ist dort eine oft schwach technisierte Industrie mit viel Menschenkraft und archaischen Gutsherren-artigen Strukturen. Durch unsere westliche Auftragsvergabe wirkt es wie eine Fortsetzung der Kolonialisierung mit globalwirtschaftlichen Mitteln.
Die Gegenden bleiben arm, trotz wertvoller und begehrter Rohstoffe. Die Gewinnung der Rohstoffe ist oft sehr giftig und ungesund für die Arbeiter. Für die Menschen knappes Wasser wird für die Industrie benötigt. Das Geld fließt in die Taschen weniger und finanziert in Extremfällen sogar Bürgerkriege.
Weiterführendes:
- (Artikel) Esther de Haan, Tim Steinweg: Probleme des Rohstoffabbaus in der Elektronikindustrie (http://www.germanwatch.org/zeitung/2008-3-roh.htm)
- (Artikel) Zeit Wissen: Die Metalle der Zukunft (http://zelos.zeit.de/wissen/2009-10/42-metalle.pdf)
Fertigung
Markenunternehmen - Fujitsu Siemens, hp (Hewlett-Packard), Lenovo (IBM), Acer, Dell, etc - beauftragen verschiedene, allgemein unbekannte Kontraktfertiger mit der Herstellung. Nachher setzen sie nur noch ihr Logo auf die Verpackung, kümmern sich ansonsten um das Marketing und den Vertrieb. Auch Forschung, Entwicklung und Design sind oft noch in den Industrieländern, ebenso finden Montage und Verpackung gelegentlich noch in westlichen Ländern statt, z.B. bei Siemens. Die eigentliche Fertigung der Geräte wurde ohne Ausnahme ausgelagert.
Kontraktfertiger (z.B. Excelsior, Compeq) residieren ausnahmslos in Niedriglohnländern, vor allem China. Sie beauftragen selbst wiederum Komponenten- und Bauteilhersteller weltweit, die sich spezialisiert haben auf die Herstellung eines ganz bestimmten Teils. In den Sonderwirtschaftszonen, die die Entwicklungs- und aufstrebenden Länder eingerichtet haben gibt es keine Zölle, wenig Steuern und eingeschränkte Arbeitnehmerrechte, um im globalen Wettbewerb mithalten zu können und um Arbeit zu schaffen.
Die Arbeiterinnen - meist sind es junge Wanderarbeiterinnen, die beeinflussbar und belastbar sind, auf der Suche nach Geld für ihre Familie - arbeiten unter schwierigen Umständen:
- Keine Unterzeichnung oder Aushändigung eines Arbeitsvertrags, an dem das vorübergehende Aufenthaltsrecht allerdings gebunden ist
- Keine
Aufklärung über die Kodizes und die Arbeitsrechte, auch wegen fehlender
unabhängiger Gewerkschaften, Organisationsfreiheit und
Kollektivverhandlungen
- 10-Stunden-Schichten mit kurzfristig angeordneten Überstunden, Wochenendarbeitszeiten und wenigen, fest vorgegebenen Pausen.
- Unsichere,
späte Gehaltszahlungen unterhalb des (in China oder Mexiko
existierenden) Mindestlohns, der sowieso nicht existenzsichernd wäre
- Strenge
Regulierungen bzgl. Sprechen mit anderen Arbeiterinnen,
Toilettenzeiten, Haarschnitt und Verhalten, mit finanziellen Sanktionen
- Keine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungen, was den Arbeiterinnen oft nicht bewusst ist
- Arbeiten in ungesunder Haltung und in giftiger Umgebung bei gleichzeitig mangelnden Sicherheitsvorkehrungen
- Wohnen
in unmittelbarer Werksumgebung, unter ständiger Beobachtung, gemeinsam
mit 8 bis 15 anderen Arbeiterinnen in einem kleinen Raum
Erzeugt wird der Druck von den Markenfirmen. Sie verlangen eine hohe Flexibilität. Komponenten werden z.B. erst bezahlt, wenn ein Computer gebaut und verkauft wurde. Regelmäßige Neuausschreibungen von Zulieferungen erzeugen die gewünschte Konkurrenz.
Weiterführendes:
- (Broschüre) Jenny Chan, Chales Ho: The Dark Side of Cyberspace. Inside the Sweatshops of China's Computer Hardware Production. (http://www.weed-online.org/themen/2027356.html)
- (Broschüre) Brot für alle/Fastenopfer: High Tech - No Rights? Kampagne für fair hergestellte Computer (http://www.fair-computer.ch/cms/fileadmin/user_upload/computer-Kampagne/Broschuere_Einblick.pdf)
- siehe auch SACOM, Offener Brief an Apple >>
- (Artikel) Sebastian Jekutsch: Bad Apple, FIfF-Kommunikation 2/2011 (http://fiff.de/publikationen/fiff-kommunikation/fk-2011/fk-2-2011/fk_2_2011_bad_apple)
- (Artikel) Sebastian Jekutsch: Die Akte Samsung, FIfF-Kommunikation 3/2012 (http://fiff.de/publikationen/fiff-kommunikation/fk-2012/fk-3-2012/fk-3-2012-jekutsch)
Transport
Die hier beschriebene globalisierte Produktion eines Computers ist nur möglich geworden durch die sehr günstigen Seetransporte. (Dieses Thema kommt im Rahmen fairer Waren praktisch nie vor.)
Vertrieb/Marketing/Verkauf
Computer- und Handy-Vertrieb finden entweder indirekt über den Großhandel mittels der Discounter, direkt beim Markenhersteller, in speziellen Marken-Shops oder Online statt. Den Preiskampf um immer günstigere Computer starteten die Discounter, in Deutschland vor allem Aldi, später die großen Elektrohäuser. Der Kampf verschärft sich zunehmend, da der Absatz an Hardware sinkt.
Auch die Berater und Verkäufer in den Geschäften in unseren Landen erleben den Druck anhand immer unsozialerer Arbeitsverträge.
Weiterführendes:
- (Artikel) Florian Butollo, Tine Laufer, Daniel Zettler: Wege aus der Dumpingfalle (http://www.weed-online.org/themen/sommer/1339139.html)
Konsum und Nutzung
Auch die Nutzung ist nicht fair. Konsumiert und in Auftrag gegeben werden Computer und Handys vor allem in den Industrieländern. Der Digital Divide zu den Entwicklungs- und aufstrebenden Ländern wird bei FIfF an anderer Stelle thematisiert, ebenso wie die Auswirkungen des Computers auf unser Arbeits- und Privatleben.
Entsorgung
Zwar herrscht in Deutschland eine Rücknahme und Entsorgungsverpflichtung durch die Hersteller (Elektro- und Elektronikgerätegesetz, kurz: ElektroG), aber nur ein Viertel aller Elektrogeräte werden ordentlich entsorgt. Der Rest bleibt zuhause, landet im Restmüll und damit auf einem Müllberg, auf einer wilden Deponie oder wird illegal ins Ausland transportiert. Legal wäre lediglich die Ausfuhr funktionstüchtiger (Alt-)Geräte zwecks Wiederverwendung, z.B. im Rahmen der Entwicklungshilfe. Vor allem in Asien und Afrika werden in gefährlicher Handarbeit Metalle aus den Schrottgeräten heraus gelöst, mit Chemikalien und Feuer.
Kampagne:
- Computer Take Back Campaign CTBC (www.computertakeback.com)
Weiterführendes:
- (Artikel) Simone Schlindwein: Adam Kasibante ist geschockt (die tageszeitung vom 26.08.2009)
Soll-Zustand: Für eine faire IT
Anhand verschiedener Strategien wird im folgenden aufgezeigt, was man unternehmen kann um die Situation zu verbessern.
Verhaltenskodizes
Um den Ruf zu retten, um Werbung zu machen, vielleicht sogar tatsächlich aus moralischen Gründen unterschreiben manche Markenunternehmen Verhaltenskodizes, in denen sie festlegen, was sie tun wollen und nicht tun dürfen. Oft behauptet die Markenfirma allerdings, auf die Lieferanten keinen Einfluss zu haben.
Das ist natürlich Unsinn. Es muss sich bei Verhaltenskodizes insbesondere um die Einkaufs- und Auftragspolitik drehen: Festlegungen welche ökologischen und sozialen Richtlinien die Zulieferbetriebe einhalten müssen, um beauftragt werden zu können.
Es gibt
- unternehmensinterne Kodizes
- Vorlagen unter Mitwirkung oder Leitung von NGOs oder Gewerkschaften und
- staatliche, gesetzliche Instrumente.
Die Kodizes unterscheiden sich in den Anforderungen und in dem Grad in dem ihr Einhalten kontrolliert und in wieweit bei Verstößen sanktioniert werden kann. Grad letzteres geht vielen Firmen zu weit.
Der einzige speziell für die Elektronikbranche entworfene Kodex ist der EICC = Electronic Industry Code of Conduct, dem alle bekannten Markenfirmen beigetreten sind außer Fujitsu-Siemens-Computers (FSC). Hier die Eckdaten des EICC:
- Entworfen haben den Kodex die Firmen selbst, initiiert allerdings wurde er von der zivilgesellschaftlichen Kampagne "Clean up your computer"
- Er beachtet nicht die Rohstoffgewinnung, ansonsten aber die ganze Wertschöpfungskette.
- Er
ist inhaltlich schwach. So werden nicht einmal die Kernarbeitsnormen
der ILO (siehe unten) verlangt, z.B. nicht die Vereinigungsfreiheit,
Aushändigung der Arbeitsverträge oder das Recht auf
Kollektivverhandlungen. Vorhanden sind aber das Verbot von Kinderarbeit,
Arbeitszeit- und Lohnregelungen.
- Er stellt lediglich eine freiwillige Verpflichtung da. Es gibt kein Überprüfungsverfahren und auch keine Einklagbarkeit bei Nichteinhaltung.
Im speziellen Bereich der Entsorgung existiert das Baseler Übereinkommen (genauer: Baseler Konvention über gefährliche Abfälle) zur staatlichen Kontrolle von Abfallexporten, beobachtet vom Basel Action Network.
Die schon erwähnten Grundprinzipien der ILO = International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) beinhalten
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- Abschaffung von Zwangsarbeit
- Abschaffung von Kinderarbeit
- Verbot der Diskriminierung im Beruf
die in acht Übereinkommen, die auch als Kernarbeitsnormen bezeichnet werden, operativ umgesetzt werden sollen. Nicht Teil der ILO-Normen sind Gehaltsfragen.
Auf diese Normen bezieht sich auch die UN in ihrem Global Compact, einem Verhaltenskodex für Unternehmen, das von über 2500 Unternehmen unterzeichnet wurde. Auch hier ist eine Überprüfung der Einhaltung nicht vorgesehen.
Die OECD = Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat ebenfalls Empfehlungen an Regierungen entworfen, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Sie beinhalten die kompletten ILO-Normen, Menschenrechtsfragen und auch Nachhaltigkeitsaspekte. Es gibt hier sogar einen Kontrollrat, bei dem man sich beschweren kann, in Deutschland unsinnigerweise im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt. Dieser empfiehlt dem Unternehmen daraufhin Maßnahmen, die dann aber nicht überprüft werden. Sanktionsmöglichkeiten sind ebenfalls nicht vorgesehen.
Ein Beispiel eines von NGOs entwickelten Normenkatalogs sind die Forderungen des GoodElectronics Netzwerkes.
Aktion:
Unser Ziel sollte es sein, die Einhaltung von Verhaltenskodizes zu beobachten und Verstöße publik zu machen.
Weiterführendes:
- (Artikel) Cornelia Heydenreich: Umsetzung noch mangelhaft (http://www.germanwatch.org/corp/oecd08.htm), eine Stellungnahme zu den OECD-Leitsätzen. Siehe auch http://www.germanwatch.org/zeitung/2007-3-oecd.htm.
- (Artikel) Uwe Kerkow, Jens Martens und Tobias Schmitt: Grenzen der Freiwilligkeit.
Handlungsmöglichkeiten und Erfahrungen von NGOs und Gewerkschaften bei
der Anwendung freiwilliger Selbstverpflichtungen der Wirtschaft.
(http://www.weed-online.org/publikationen/19991.html)
- (Beispiel) Continental AG: Beispiel für eine Beschwerde wegen Verstoßes gegen OECD-Richtlinien: http://www.germanwatch.org/tw/continental.htm.
Kampagne:
- Corporate Accountability (CorA), ein Netzwerk für Unternehmensverantwortung zwecks Durchsetzung verbindlicher Instrumente zur Verpflichtung von Unternehmen zur Respektierung der Menschenrechte (http://www.cora-netz.de)
ArbeiterInnen vor Ort
Die Auslagerung der Produktion in Niedriglohnländer bedeutet immer auch eine Verlagerung hin zu gering organisierten Arbeitnehmern. Es gibt gelegentlich vereinzelte Proteste in Firmen, die oft mit Polizeigewalt unterbunden werden und somit wenig oder keine Effekte haben. Es fehlt in aller Regel eine firmen- und landesweite Organisation in Gewerkschaften weil es schlicht verboten ist oder weil die vorhandenen Verbände staatlich geregelt und gesteuert sind. In China gibt es zum Beispiel keine unabhängigen Gewerkschaften, nur eine Einheits"gewerkschaft" ACFTU als unternehmensorientierte Vermittlerin bei Streitigkeiten ohne jede Bindung an die Elektrowirtschaft in den Sonderwirtschaftszonen.
Aktion:
Wenn Arbeitnehmerschaft sich in einem Land zunehmend organisiert, droht stets die Verlagerung der Produktion in andere Länder, z.B. von China nach Nord-Vietnam. Ziel kann also nur die globale Vernetzung von Gewerkschaften sein, um gegenseitige Ausbeutung zu unterbinden. Wichtige Organisationen sind:
- ILO = International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation)
- IMF = International Metalworkers' Federation (Internationaler Metallgewerkschaftsverbund)
- AMRC = Asia Monitor Resource Center (NGO für ArbeitnehmerInnenrechte in Asien)
Die Bildung von Gewerkschaften aus unseren Konsumentenländern zu fördern ist schwierig bis unmöglich. Die Kampgane von Brot für alle und Fastenopfer will erreichen, dass die Arbeiterinnen Weiterbildung erhalten und dadurch ihre Situation verbessern können. Wir können uns informieren (gelegentlich kommen Arbeiterinnen für Vortragsreisen nach Europa), finanzielle Unterstützung bieten und unsere eigene Einkaufspolitik überdenken.
Kampagnen:
- Christliche Initiative Romero e.V.: Setzt sich für Arbeits- und Menschenrechte in Ländern Mittelamerikas ein, nicht speziell IT oder Elektronik (http://www.ci-romero.de/cora/)
Fairer Einkauf und öffentliche Beschaffung
Fakt ist, dass nur deswegen produziert wird, weil wir in den Konsumländern kaufen. Was wir kaufen hat daher Einfluss wie produziert wird. Jedes Schnäppchen ist eine Menschrechtsverletzung.
Aktuell besteht das Problem, dass wir bezüglich sozialer Standards keine Auswahl haben: Es gibt keine fairen Computer oder Handys. Jeder Einzelne von uns wird wenig beeinflussen können, ein Nichtkauf erscheint uns nicht die Lösung zu sein. Forderungen an die Firmen Angebote zu machen verhallen oder werden beantwortet mit dem Hinweis, dass die Markenfirmen selbst nicht die Auswahl hätten, denn sämtliche Zulieferer sind unfair.
Mehr Einfluss hat man bei größeren Bestellmengen. Deshalb konzentrieren sich viele Kampagnen und Initiativen darauf, bei der öffentlichen Beschaffung - Behörden, Regierungsapparate, Universitäten und Schulen - soziale Kriterien durchzusetzen. Ein wichtiges Hilfsmittel dabei ist das im April 2009 in Deutschland angepasste ("Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts").
Vergaberecht auf Basis der Beschaffungsrichtlinien der EU. Dort sind neben ökologischen explizit auch soziale Kriterien genannt, natürlich als Kann-Regelung. Immerhin: Vorher mussten Behörden immer das finanziell günstigste Angebot unterschreiben, nun gelten auch andere Kriterien. Die Umsetzung in Deutschland ist allerdings schwach, die Schweiz ist da (obschon nicht in der EU) zum Beispiel viel weiter. In Deutschland steht Wirtschaftlichkeit ganz oben, allenfalls ökologische Kriterien werden öfter akzeptiert.
Es gibt Ausnahmen:
- Bayern verbietet grundsätzlich Kinderarbeit. Dies betrifft z.B. den Einkauf von Steinen oder Textilien, ein Bereich der im Gegensatz zur Elektronik deutlich weiter entwickelt ist.
- Neuss und Düsseldorf haben die Einbindung sozialer Kriterien beschlossen.
- Bremen hat ebenfalls ein Vergabegesetz beschlossen, in dem soziale Standards festgelegt werden.
- Es gibt den Wettbewerb "Hauptstadt des fairen Handels"
Alleine die öffentlichen Ausschreibungen betreffen 20% des deutschen IT-Marktes. Andere beeinflussbare Großkunden von IT sind Gewerkschaften, Kirchen und Vereine. Obschon die Elektrodiscounter einen sehr großen Anteil am IT-Markt haben, gibt es keine Organisation von Endkunden, dort soziale oder zumindest ökologische Angebote einzufordern.
Aktion:
Wir können versuchen Informationen bei den Herstellern und Händlern einzuholen, damit unser Interesse bekannt wird. Wir sollten versuchen, unsere Kommune zum Einfordern sozialer Standards (nicht nur im Elektrobereich) zu bewegen.
Kampagnen:
- Procura+ ist eine europaweite Kampagne, die zum Ziel hat, Behörden und
öffentlichen Einrichtungen in ganz Europa bei der Umsetzung
nachhaltiger Beschaffung und bei der Bewerbung ihrer Arbeit zu helfen. (http://www.procuraplus.org)
- Procure IT fair: Europäisches Projekt für soziale Beschaffung von Computern durch staatlichen Stellen (http://procureitfair.org/). In Deutschland vertreten durch Weed (http://www.weed-online.de/).
- Kampagne "Unsere Uni kauft faire PCs" von PCGlobal/weed zur fairen Beschaffung an Universitäten
Weiterführendes:
- (Artikel) PCGlobal: Faire Praxis. (http://www.pcglobal.org/index.php?option=com_content&view=article&id=33&Itemid=23)
- (Artikel) Florian Butollo: Soziale Kriterien beim öffentlichen Einkauf (http://www.germanwatch.org/zeitung/2009-1-sozial.htm)
- (Faltblatt) Sarah Bormann, Nora Holzmann: buy it fair. Tipps und Hintergründe zum öffentlichen Einkauf von Computern nach sozialen und ökologischen Kriterien (Faltblatt)
- (Broschüre) Florian Butollo, Johanna Kusch, Tine Laufer: Buy IT fair - Leitfaden zur sozial-ökologischen Beschaffung von Computern (http://www.weed-online.org/themen/2353772.html)
- Fragebogen an Hersteller von Brot für alle/Fastenopfer (Schweiz): http://www.fair-computer.ch/cms/fileadmin/user_upload/computer-Kampagne/Frageboegen/Fragebogen_deutsch_update.pdf
Firmenrankings
Was im GreenIT-Bereich schon seit langem von Greenpeace unternommen wird, fehlt im sozialen Bereich weitestgehend: Ein Ranking von Firmen bzgl. der "fair-heit" ihrer Produkte und deren Herstellung. Ein Positiv/Negativ-Award fehlt ebenfalls.
Bei einem Vergleich von Brot für alle/Fastenopfer (Schweiz) schnitt HP = Hewlett Packard am besten ab, weil sie erstens ihre Lieferkette veröffentlichen und zweitens eine eigene Untersuchung in Auftrag gegeben und ebenfalls veröffentlicht haben.
Rankings:
- Brot für alle/Fastenopfer: Wie sieht es mit Ihrer Computermarke aus? (http://www.fair-computer.ch/cms/index.php?id=647&L=1)
- ProcureFairIT: IT Computer Monitor (http://procureitfair.org/companies-en)
Nichtkaufen/Wiederverwenden
Ob ein Nichtkaufen von IT-Geräten - ohne Zweifel wertvoll im ökologischen Sinne - eine soziale Tat ist, bleibt fraglich. Ist nicht das Auslagern der Produktion letztlich auch Entwicklungshilfe? Ist den ArbeiterInnen geholfen, wenn es ihre Arbeit gar nicht gäbe? Auf jeden Fall konnten die ausbeuterischen Strukturen nur entstehen durch unsere immense Kaufwut, die nur durch günstige Preise befriedigbar ist. Warum die Nutzungsdauer von Computern bei durchschnittlich nur 2 Jahren liegt bleibt jeden- und ebenfalls fraglich. Muss das sein?
Kampagne:
- ReUse-Computer e.V. (http://www.reuse-computer.de/)
Weiterführendes:
- (Artikel) Simone Schlindwein: Adam Kasibante ist geschockt (die tageszeitung vom 26.08.2009)
Angebot
Es gibt keine fairen Computer, und wenn wir nicht gerade Chief Officer einer der Markenfirmen sind wird sich daran auch nichts ändern. Initiator zu sein ist schwer: Im Gegensatz zur Software ist die Hardware-Herstellung und -Vermarktung investitionsintensiv. Ein Nischenprodukt erfordert "early adopters", das Produkt wird wegen der geringen Menge sehr teuer und nur für Idealisten oder als Spaß interessant.
Aber die Lage ist nicht hoffnungslos: Das "Projekt zur Herstellung Fairer Elektronik" (PHeFE) will einen Anfang machen und selbst ein Gerät auf den Markt bringen, das unter nachhaltigen (sozial und ökologisch) Bedingungen gefertigt wird. Derzeit ist eine PC-Maus in Planung, die in Behindertenwerkstätten in Deutschland zusammengesetzt werden soll. Dort sollen auch die Formen gegossen und die Leiterplatten bestückt werden, beides unter Zuhilfenahme nachhaltiger Rohstoffe. Da das Problem „unfairer“ Teilelemente wie Kondensatoren etc. derzeit noch ungelöst ist, soll im ersten Schritt eine „teil-faire“ Maus entstehen, die dann Stück für Stück fairer werden soll.
Bildungs- und Bewusstseinsarbeit
Diese Webseite beinhaltet eine Menge von Hinweisen und Links zu fairer IT und ist damit Teil der Bildungs- und Bewusstseinsarbeit. Die eingangs erwähnten Kampagnen bieten eine Menge von Broschüren und anderem zur Verbreitung von Informationen zum Thema Fair-IT. Wichtig sind auch:
- konkrete Tipps und Handlungsanweisungen z.B. zur Entsorgung
- öffentliche Veranstaltungen mit Betroffenen mit Möglichkeit zur Diskussion
- spezielles Material für Lehrveranstaltungen in Schule und Universität
Aktion:
- Diese Webseite verbreiten und verlinken.
- Kampagnen Geld spenden
- Zu Vorträgen gehen oder selbst welche veranstalten.
Kampagnen:
- makeITfair: Europäische Kampagne vor allem für jugendliche Konsumenten (http://makeitfair.org/).
In Deutschland vertreten durch Germanwatch (http://www.germanwatch.org/) - I shop fair: KonsumentInnen-Initiative (http://www.ishopfair.net), nicht speziell IT oder Elektronik
Weiterführendes:
- Dokumentarfilm von Alexandra Weltz: "Digitale Handarbeit - Chinas Weltmarktfabrik für Computer". (Siehe auch http://v2v.cc/v2v/digital_handcraft und http://www.vimeo.com/7125179)
- Bildungs-CD von weed: Der Weg eines Computers (http://www.weed-online.org/themen/799849.html)
- Film "Gnadenlos billig?!" von Germanwatch über den Handyboom, vor allem für Jugendliche (http://www.germanwatch.org/corp/it-film.htm)
- Unterrichtseinheit "Folgen der Globalisierung der IT-Branche am Beispiel Handy"
behandelt die Folgen der Globalisierung der IT-Branche am Beispiel des
Handys für SchülerInnen der 8. bis 10. Klasse
(http://www.germanwatch.org/corp/it-unt.htm)
- Germanwatch veröffentlicht in jedem Quartal die Zeitung
"Weitblick", etwa einmal im Jahr ist das Thema
Unternehmensverantwortung, auch (aber nicht nur) am Beispiel Faire IT
dabei, z.B. 3/07, 3/08, 1/09 und 1/10. Die Zeitung liegt immer der taz bei, kann auch kostenlos bestellt werden:
http://www.germanwatch.org/pub/abos.htm.
Öffentlichkeitswirksame Aktionen/Druck/Protest
Hier ein paar Aktionsbeispiele:
- MakeITfair hat eine E-Mail/Postkarten-Aktion für SchülerInnen vorbereitet: http://makeitfair.org/aktiv-werden/email-action-DE
- Germanwatch nutzt gelegentlich Aktionärsversammlungen: http://www.germanwatch.org/pubpress/p030522a.htm
- ... oder besucht die CeBIT: http://www.youtube.com/watch?v=82rDxpNsLjU (2009) und http://www.germanwatch.org/presse/2008-03-04.htm (2008)
- Die Universitätskampagne von weed "Unsere Uni kauft faire PCs" ist gerade im Entstehen: http://www.pcglobal.org/index.php?option=com_content&view=article&id=20&Itemid=11
Weiterführendes:
- (Artikel) Cornelia Heydenreich: Möglichkeiten und Grenzen von NGO-Strategien zu multinationalen Konzernen (zu Reaktionen von Firmen am Beispiel Continental): http://www.germanwatch.org/corp/conti09.htm
Politische Rahmensetzungen
Kommunale Lobbyarbeit kann zu geänderten Vergabegesetzen führen. Auf Bundesebene ist das CorA-Netzwerk bei Firmen recht aktiv, auf EU-Ebene die European Coalition for Corporate Justice (ECCJ).