Gewissensbisse. Ethische Probleme der Informatik
Debora Weber-Wulff, Christina Class, Wolfgang Coy, Constanze Kurz, David Zellhöfer: Gewissensbisse. Ethische Probleme der Informatik. Bielefeld: transkript, 2009.
Rezension von Ralf E. Streibl
Recht druckfrisch ist das von einem fünfköpfigen Autorinnen- und Autorenteam verfasste Büchlein, welches den Untertitel Ethische Probleme der Informatik trägt. Der Ausgangspunkt lag in Diskussionen in der Fachgruppe Informatik und Ethik der Gesellschaft für Informatik (GI). In den Ethischen Leitlinien der GI (1994/2003) wird u.a. gefordert, dass die GI interdisziplinäre Diskurse zu ethischen und sozialen Problemen der Informatik initiiert und fördert. Dies sei – so das Autorenkollektiv in seinen Vorbemerkungen – ein Ziel des vorliegenden Buches.
Das Buch enthält eine ganze Reihe von Fallbeispielen zu ethischen Fragen im Kontext von Informatik, „die genutzt werden können, eine Diskussion zu stimulieren und voranzutreiben“ (S.12). Vorangestellt ist ein kurzes Kapitel über Verantwortung in der Informatik. Knapp die Hälfte der Fallbeispiele im Buch ist nach der szenisch gehaltenen Darstellung eines Dilemmas mit einer »Diskussion« versehen, bei den anderen sind noch einige »Fragen« am Ende des Szenarios aufgelistet. Ein Abschlusskapitel über konkrete Erfahrungen mit derartigen Fallbeispielen in Seminaren sowie ein Anhang, in dem die Ethischen Leitlinien der GI, ein Diskussionsschema sowie drei exemplarische studentische Ausarbeitungen enthalten sind, beschließen das Buch. Wesentlicher Gedanke bei der Gestaltung des Buches war offenkundig der modulare Aufbau – es ist möglich einzelne Fallbeispiele unabhängig voneinander zu lesen und zu bearbeiten. Das Autorenkollektiv hat sich nach eigenem Bekunden bewusst dafür entschieden, dem Buch kein Kapitel über allgemeine Ethik beizufügen. Es ist gut möglich, dass die Hauptzielgruppe des Buches dies auch nicht vermisst. Doch wäre es möglicherweise hilfreich gewesen, das Kapitel über »Verantwortung in der Informatik« vor diesem Hintergrund ausführlicher zu gestalten und mit mehr konkreten und kommentierten Verweisen auf einschlägige Literatur zu versehen – als Möglichkeit und Anregung zu einer weitergehenden eigenen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen für die Informatik möglicherweise relevanten ethischen Ansätzen. Der Zwiespalt hinsichtlich der Frage, wie viel an Vorgabe bzw. Unterstützung für die inhaltliche Auseinandersetzung mit ethischen Fragen sinnvoll, nützlich oder gar notwendig ist, mag auch die Beurteilung der Fallbeispiel-Kapitel beeinflussen. Das Autorenkollektiv hält die Diskussion hier bewusst knapp oder wirft in der Mehrzahl der Fallbeispiele nur Fragen auf – mit Verweis darauf, dass Fallbeispiele keine eindeutigen Lösungen vorgeben. So richtig dies ist, vermisste ich bei der Lektüre doch systematische Hinweise auf hilfreiche Literatur zur weiteren Vertiefung (findet sich nur vereinzelt) der den Fallbeispielen zugrunde liegender, für eine ethische Debatte wesentlichen Parameter oder (auch kontroverser) Positionen. Natürlich kann man die Ansicht vertreten, dass das Heraussuchen entsprechender Quellen Aufgabe der jeweiligen Lehrenden oder Studierenden bzw. Schüler sei. Jedoch besteht ohne geeignete Einstiegspunkte – insbesondere bei manchen Themen, die stärker an der Lebenswelt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind – leicht die Gefahr einer zu stark nach »Bauchgefühl« geführten Diskussion. Ungeachtet dieser kritischen Anmerkungen, die vor allem die Hoffnung auf eine in dieser Hinsicht erweiterte zweite Auflage ausdrücken, ist das vorliegende Buch sicherlich eine hilfreiche Anregung und »Steinbruch« für die Gestaltung kommunikativer Lernsituationen im Bereich Informatik und Gesellschaft.
Fazit: Ein nützliches und gut zu lesendes Buch, welches hilfreiche Anregungen für Szenarien und Fragenansätze liefert, die konkrete Diskussion und Auseinandersetzung damit dabei weitgehend den Leserinnen und Lesern überlässt.
Debora Weber-Wulff, Christina Class, Wolfgang Coy, Constanze Kurz, David Zellhöfer: Gewissensbisse. Ethische Probleme der Informatik. Bielefeld: transkript, 2009.