Editorial FIfF-Kommunikation 1/2011
FIfF-Kommunikation 1/2011 - "Wikileaks"
Zwei Themen, mit denen sich auch die FIfF-Kommunikation bereits beschäftigt hatte, haben in den letzten Wochen viel Aufsehen erregt. Gerade musste Bundesverteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg zurücktreten – wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Immaterialgüterrechte. Und zuvor wurde eine Internet-Plattform weltweit heiß diskutiert: Wikileaks, das sich spätestens mit dem Video Collateral Murder und der Veröffentlichung der US-Botschaftsdepeschen nachdrücklich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht hat. Beide Ereignisse und ihre Folgen sind natürlich auch bei uns ein Thema.
Die Debatte um zu Guttenberg wurde zu großen Teilen im Netz geführt. Mit Hilfe der Wiki-Plattform GuttenPlag wurde seine Dissertation akribisch untersucht – und eine Reihe von Passagen entdeckt, bei denen offenbar abgeschrieben wurde, angefangen bei der Einleitung. Dabei hat die Diskussion viele Facetten – die schon genannten Immaterialgüterrechte, die Frage nach wissenschaftlicher Redlichkeit, die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Politikern und die Frage nach konservativen Werten. Ralf E. Streibl setzt sich in seinem Beitrag mit Aspekten der Affäre Guttenberg auseinander.
Zu Wikileaks gab es heftige Diskussionen. Neben der Debatte um die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichungen – bis hin zum Vorwurf des Verrats – mussten die beteiligten Medien mit rund 250.000 einzelnen Meldungen angemessen umgehen. Christiane Schulzki-Haddouti berichtet in zwei Beiträgen vom Datenjournalismus – der journalistischen Aufarbeitung der US-Botschaftsdepeschen: (Alp-)Traum Wikileaks und Datenberge und Nachhaltigkeit. In einem weiteren Beitrag – Anonyme Depots – befasst sie sich mit Alternativen zu Wikileaks.
Forderungen vor allem konservativer Politiker, Wikileaks und seine Betreiber mit aller Härte zu verfolgen, und die – möglicherweise auf politischen Druck erfolgte – Sperrung von Konten und Serverkapazitäten lassen Zweifel an der demokratischen Einstellung so mancher Verantwortlicher aufkommen. Eine Reihe von Publikationen, Organisationen und Einzelpersonen haben auf Initiative der taz gegen die Kriminalisierung von Wikileaks Stellung bezogen und einen Appell formuliert – gegen die Angriffe auf Wikileaks, für Publikationsfreiheit und Kontrolle des Staats. Auch das FIfF hat den Appell unterzeichnet; wir dokumentieren ihn in diesem Heft.
Gleichzeitig sind mehrere Bücher zu Wikileaks erschienen – von der journalistischen Aufarbeitung über einen Insiderbericht zur Betrachtung der Folgen. Stefan Hügel hat sich die Bücher angesehen – und kommentiert zusätzlich einleitend die Reaktionen der Öffentlichkeit.
Eine Grundfrage hinter Wikileaks ist die Frage, wie wir mit Informationen umgehen und damit unsere Demokratie gestalten. Doch auch andere Artikel in diesem Heft betreffen direkt die Gestaltung unseres demokratischen Gemeinwesens: Rolf Gössner wurde fast 40 Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet – bis das Verwaltungsgericht in Köln feststellte, dass die Überwachung durchgängig rechtswidrig war. Er selbst berichtet in seinem Beitrag Rechtsstaatswidrige Dauerüberwachung davon. Die Planung und Durchsetzung öffentlicher Großprojekte – und den Umgang mit Bürgerprotesten – beleuchtet unser Beiratsmitglied Wolfgang Hesse anhand der Ereignisse um Stuttgart 21 und des diesbezüglichen Schlichtungsverfahrens – wir meinen: „Oben bleiben!“
Das originäre Thema des FIfF ist der Frieden – auch in diesem Heft: Jürgen Altmann fordert eine Rüstungskontrolle für Roboter, und in der Retrospektive blicken wir auf einen Beitrag zurück, den Manfred Domke bereits vor 20 Jahren veröffentlicht hat: Dual Use – Berücksichtigung militärischer Anforderungen bei der zivilen Entwicklung neuer Technologien. Ein Thema, das nichts an Aktualität verloren hat.
Die Volkszählung 2011 haben wir bereits im letzten Heft behandelt – ein Thema, das in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig Beachtung findet. Über die letzten Entwicklungen berichtet die Anwältin Eva Dworschak. Und wer schon immer wissen wollte, wie große Organisationen mit Social-Media-Plattformen wie Twitter umgehen, wird vielleicht in dem lesenswerten Beitrag von Gregor Koall eine Antwort finden.
Ein Höhepunkt des FIfF-Jahres ist die Jahrestagung. Doch müssen wir die Leserinnen und Leser vertrösten, die in dieser Ausgabe die angekündigten Beiträge von der Jahrestagung 2010 in Köln erwartet haben. Aus Aktualitäts- und redaktionellen Gründen müssen wir die Beiträge leider verschieben. Sie erscheinen in der nächsten Ausgabe. Versprochen!
Dafür sind zwei Ergebnisse einer besonders erfreulichen Episode der Jahrestagung 2010 in diesem Heft enthalten: Nachdem schon in der letzten FIfF Kommunikation zwei Beiträge von Preisträgern des FIfF-Studienpreises veröffentlicht wurden, folgen nun die anderen beiden: Phillip W. Brunst, der mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, und Jens Jacobi, der einen zweiten Preis erhalten hat, fassen die Inhalte ihrer Arbeiten für unsere Leserinnen und Leser zusammen. Wir nutzen die Gelegenheit, zur Einreichung von Beiträgen für den diesjährigen FIfF-Studienpreis aufzurufen.
Nicht zuletzt plant die EU-Kommission eine Novelle der Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG. Wir haben uns an der öffentlichen Konsultation beteiligt – unsere Stellungnahme findet sich ebenfalls in dieser Ausgabe.
In Summe enthält das Heft eine bunte Mischung von Beiträgen – viele davon mit stark aktuellem Bezug. Wir wünschen auch dieses Mal eine interessante und anregende Lektüre – und viele neue Erkenntnisse und Einsichten.
Stefan Hügel und Ralf E. Streibl für die Redaktion