FIfF-Ko 4/2007: Bielefelder Erklärung wider Überwachungs- und Datensammelwahn
Presseerklärung vom FIfF, DVD und FoeBuD
Am 12. und 13. Oktober 2007 wurde Bielefeld zur deutschen Hauptstadt
des Datenschutzes. Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD)
veranstaltete anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens den Datenschutztag
2007. Am Abend desselben Tages verlieh der Verein zur Förderung des
öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) die
BigBrotherAwards 2007, die Oskars für Datenkraken. Tags darauf
veranstaltete schließlich das Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) seine 23. Jahrestagung unter dem
Motto "Datensammelwut". Die drei Nichtregierungsorganisationen geben
aus diesem Anlass die folgende gemeinsame öffentliche Erklärung gegen
den Datensammelwahn und die immer stärkeren Überwachungstendenzen von
Staat und Wirtschaft heraus.
Beim Telefonieren und beim
Verschicken von SMS und E-Mail, mit jeder Überweisung und mit jedem
Gebrauch von Kreditkarten, EC-Karten und Kundenkarten aller Art sowie
durch Ausfüllen von ungezählten Online-Formularen hinterlassen die
Menschen in Deutschland breite Datenspuren. Viele dieser Datenspuren
lassen sich nicht mehr vermeiden, wenn man am politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen will. Das weckt
Begehrlichkeiten: Staat und Wirtschaft gehen immer ungenierter mit
diesen Daten um, erstellen Kunden-, Bewegungs- und
Persönlichkeitsprofile, überwachen, kontrollieren, spähen aus und
manipulieren. Die Privatsphäre und das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werden
zunehmend eingeschränkt und missachtet.
In der Europäischen
Union werden schon heute in vielen Ländern (und bald flächendeckend)
die durch Telekommunikation entstehenden Verkehrsdaten mindestens sechs
Monate gespeichert. Dies stellt Hunderte von Millionen Menschen unter
den Generalverdacht, Telekommunikationseinrichtungen für kriminelle
Zwecke zu nutzen.
Die US-amerikanischen Einwanderungsbehörden
verlangen umfangreiche Datensammlungen über alle europäischen
Fluggäste, bevor sie in den USA landen dürfen. Viele staatliche
Einrichtungen in Deutschland, allen voran der Innenminister, tun es
ihnen gleich und wünschen sich zweckverändernde Zugriffe z. B. auf
Fluggastdaten, Autobahnmautdaten und private Videoaufzeichnungen. Sie
gieren nach Überwachungskameras und heimlichen Online-Durchsuchungen,
sie vermessen und katalogisieren uns mithilfe biometrischer Daten wie
Fingerabdrücken, Gesichtsmerkmalen und DNS-Profil. Da erscheint es zur
Erschließung der umfangreichen Datenbanken nur folgerichtig, dass uns
eine Personenkennziffer verordnet wird, die uns von der Geburt bis über
den hinaus Tod eindeutig identifiziert. Unter dem Vorwand,
terroristische Gefahren abzuwehren, werden von staatlicher Seite immer
neue Ideen zu Datensammlungen entwickelt und dabei die Einschränkung
der Grundrechte systematisch und absichtsvoll betrieben. Ob solche
Maßnahmen zu mehr Sicherheit führen, ist völlig ungewiss; dass sie die
Freiheit beeinträchtigen, ist dagegen offensichtlich.
Die
DVD, das FIfF und der FoeBud fordern alle politisch Verantwortlichen
auf, sich für die Erhaltung der Grundrechte einzusetzen, statt ständig
zu versuchen, mithilfe angstschürender Schreckensszenarien den
schleichenden Abbau wesentlicher demokratischer Errungenschaften zu
rechtfertigen.
Diese Presseerklärung wurde am 14. Oktober 2007 vom FIfF, der DVD und dem FoeBuD verschickt. Der Text wurde abgedruckt in der FIfF-Kommunikation 4/2007 "Datensammelwut".