IALANA - Unser Nachbar NSA
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11.09.2015 21:30
bis 12.09.2015 19:00 |
Wo | Wiesbaden, Hessischer Landtag |
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Die US-Nachrichtendienste sind nach US-Recht befugt, über Nicht-US-Bürger, also auch über alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland „foreign intelligence information“ („ausländische Geheimdienstinformationen“) in weitestem Umfang zu erheben. Diese umfassen nach dem sog. FISA-Gesetz alle „Informationen über eine im Ausland ansässige politische Organisation oder ein ausländisches Hoheitsgebiet, die sich auf die Durchführung der Außenpolitik der USA beziehen und, sofern sie eine US-Person betreffen, dafür erforderlich sind.“ Mit anderen Worten: Alle für die US-Außenpolitik hilfreichen Daten liegen im „Schussfeld“ der Spähangriffe der US-Dienste. Die dadurch gewonnenen riesigen Datenmengen werden augenscheinlich nicht nur außenpolitisch für US-Interessen, sondern auch für die weithin völkerrechtswidrige US-Kriegsführung mit Drohnen und für Wirtschaftsspionage genutzt.
Die deutsche Bundesregierung bestreitet bisher hartnäckig, dass Stellen deutscher Geheimdienste wie der Bundesnachrichtendienst (BND) bei den enthüllten Abhörpraktiken mit der NSA und anderen Diensten „unter einer Decke“ stecken oder im Ausland ähnlich vorgehen. In den letzten Monaten haben die „Tagesschau“ und andere Medien freilich mehrfach u.a. berichtet, der BND und der US-Geheimdienst NSA zapften gemeinsam den Internet-Knotenpunkt DE-CIX in Frankfurt am Main an. Jedenfalls sei dies bis 2007 der Fall gewesen. Das Frankfurter Drehkreuz ist riesig, die Infrastruktur unüberschaubar. Neben DE-CIX gibt es viele andere Möglichkeiten, Daten abzugreifen – unter anderem in dem riesigen US-Militärkomplex in Wiesbaden-Erbenheim und im US-Generalkonsulat in Frankfurt. Anfang Oktober 2014 ist zudem bekannt geworden, dass das deutsche Auswärtige Amt in den Jahren 2011 und 2012 über 110 US-Unternehmen gestattet hat, in Deutschland „analytische Dienstleistungen“ für die US-Streitkräfte zu erbringen. Dahinter verbirgt sich die Auswertung von Datennetzen.
Dieser scheinbar plausible, letztlich aber unverschämte Satz ist – leider – Allgemeingut geworden und fördert die Duldungsstarre der Bürgerinnen und Bürger. Man sollte zurückfragen: „Wenn ich nichts zu verbergen habe, warum wollt Ihr das dann wissen? Woher nehmt ihr Euch das Recht dazu?“
Nachprüfbare Fakten, die einen gegenteiligen Schluss rechtfertigen könnten, wurden bisher weder von den US-Behörden noch von deutschen Stellen auf den Tisch gelegt. Das gilt z.B. auch für die Aufdeckung der geplanten Anschläge der sog. „Sauerland-Gruppe“ in Deutschland, die nach offizieller Darstellung durch Hinweise von US-Geheimdiensten verhindert werden konnten. „Der Spiegel“ und andere Medien berichten allerdings: Die „Sauerland-Gruppe“ war ihrerseits mit geheimdienstlichen V-Leuten durchsetzt, so dass man nicht weiß, wer „Koch“ und wer „Kellner“ war, wer also tatsächlich die „Fäden“ in der Hand hatte – durchaus ähnlich wie beim Münchener Oktoberfestanschlag und beim Treiben der NSU in Thüringen, Hessen, Bayern und anderswo.
Bürgerinnen und Bürger sind letztlich selbst „schuld“, wenn andere auf ihre persönlichen Daten so leicht Zugriff nehmen könnten – hört man nicht selten. Ein solches Argument ist eher zynisch, da eins klar ist: Der Schutz der Grundrechte ist unverzichtbar eine fundamentale Aufgabe und Verpflichtung der staatlichen Organe eines demokratischen Verfassungsstaates. Dafür sind sie da. Dem dürfen sie sich nicht entziehen. Darauf haben alle Bürgerinnen und Bürger nach unserem Grundgesetz einen verfassungsrechtlichen Anspruch. Staatliche Rechtsbrüche durch Tun oder Unterlassen können in einem demokratischen Rechtsstaat niemals akzeptiert werden.
Es geht dabei nicht nur um den Schutz von „Privatheit“, sondern vor allem um fundamentale Werte und Strukturen eines demokratischen Gemeinwesens. Das Demokratiegebot des Grundgesetzes findet sich nicht mit einer „Zuschauerdemokratie“ ab. Demokratische Meinungs- und Willensbildung, Partizipation und Mitbestimmung sind essentiell. Sie erfordern, dass sich Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum, in den Medien und auch „im Netz“ sichtbar machen, um Gehör zu finden und öffentliche Wirkung zu erzielen.
Für die „Obrigkeit“ „gläsern“ und „durchsichtig“ gemachte BürgerInnen verträgt dagegen eine Demokratie nicht. Sie dürfen als der demokratische Souverän nicht „von oben nach unten“ mit Hilfe von Algorithmen und Datenbanken für staatliche Machtinstanzen berechenbar gemacht werden. Auf diesem Wege aber sind wir. Deshalb tut Aufklärung not: Wir müssen wissen, was beim Schutz unserer Grundrechte schief läuft.