Aaron gegen das Grundgesetz
Presseerklärung. Bonn, den 12. Oktober 1998
Zur Mission des US-Sondergesandten Aaron, Key-Escrow salonfähig zu machen, erklären die FIfF-Vorstandsmitglieder Ute Bernhardt und Ingo Ruhmann:
Noch bevor Bill Clinton den Amtseid des US-Präsidenten leistete, wurde er von den Chefs der US-Geheimdienste besucht. Sie überzeugten ihn darin, die Kontrolle über verschlüsselte Kommunikation und damit die Überwachung weltweiter elektronischer Kommunikationsnetze durch US-Geheimdienste nicht aus der Hand zu geben.
Nun besucht der US-Sondergesandte Aaron die Bundesrepublik, um über die US-Kryptopolitik zu berichten und die bundesdeutsche Politik noch vor der Wahl der neuen Bundesregierung auf US-Linie zu bringen.
In der Bundesrepublik unterliegt die Nutzung von Verschlüesselungsverfahren keiner Einschränkung. Die USA drängen darauf, das Key-Escrow-Verfahren durchzusetzen, bei dem eine Kopie des geheimen Schlüssels und damit ein Nachschlüssel für die verschlüsselte Kommunikation bei einer dritten Stelle hinterlegt wird. Zugriff auf den Nachschlüssel und damit auf die Kommunikation auch deutscher Nutzer sollen US-Behörden in nur zwei Stunden haben. US-Geheimdienste erhalten damit unbeschränkten und unkontrollierten Zugriff auf jeden elektronischen Datenverkehr, der ihnen interessant erscheint. Das gesamte Procedere ist weder mit bundesdeutschem noch internationalem Recht vereinbar.
Die USA verfügen bereits über das leistungsfähigste System (»ECHELON«) zur weltumspannenden Überwachung des Telekommunikationsverkehrs. Um auch weiterhin Überwachen zu können, behindern sie seit Mitte der 80er Jahre nach Kräften die Entwicklung, Verbreitung und Nutzung von Kryptierverfahren. Nun soll nach dem Willen von Sonderbotschafter Aaron auch die neue Bundesregierung dabei helfen.
Eine Bundesregierung, die sich auf die US-Positionen einlässt, beendet nicht nur die freie Verfügbarkeit von Kryptiersystemen. Sie setzt zugleich das Fernmeldegeheimnis und die informationelle Selbstbestimmung faktisch außer Kraft. Obendrein überantwortet sie die Kommunikation der Wirtschaft dem Ausspähen durch die US-Dienste. Sie gibt damit letztlich substantielle Elemente staatlicher Souveränitaet der Bundesrepublik auf und verletzt die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieser Republik.
Doch Aaron ist nicht nur die unkontrollierte Kommunikation ein Dorn im Auge. Auf seinem Programm ist auch ein Besuch beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Dort will er gegen die EU-Datenschutzrichtlinie Stellung beziehen. Denn Datenschutz ist für Aaron ein Handelshemmnis.
Die Informationsgesellschaft wird sich nur entwickeln, wenn der Schutz der Privatsphäere gewährleistet wird. Kryptierverfahren und Datenschutzregelungen sind dazu notwendige Bausteine. Die US-Position gegen Datenschutz und für weltweite Überwachung ist ein rückwaertsgewandter und kontraproduktiver Standpunkt. Das FIfF fordert die neue Bundesregierung auf, den Forderungen der US-Administration nicht nachzugeben, sondern die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu schützen.