Vier Forderungen für eine digital souveräne Gesellschaft
Pressemitteilung vom 27. April 2021: 30 Organisationen der digitalen Zivilgesellschaft stellen für die Bundestagswahl 2021 vier Forderungen für eine digital souveräne Gesellschaft an die Politik
Bereits im Jahr 2020 forderten zivilgesellschaftliche Organisationen die Politik auf: Aus der Krise lernen - Digitale Zivilgesellschaft stärken! Dafür lieferten sie konkrete Handlungsempfehlungen. Geschehen ist seitdem jedoch viel zu wenig. Das vergangene Jahr hat deutlich gemacht, dass Politik und öffentliche Verwaltung mit ihrer eigenen digitalen Transformation überfordert sind und in der Digitalpolitik Schwerpunkte setzen, die nicht den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen. Von einer digital souveränen Gesellschaft sind wir weit entfernt.
Deshalb hat sich unter digitalezivilgesellschaft.org erneut ein breites Spektrum an Organisationen zusammengefunden, um mit ihrer Expertise zu unterstützen. Mit vier Forderungen zeigt das Netzwerk, wie Digitalisierung für eine digital souveräne Gesellschaft gelingen kann – und fordert die Parteien im Hinblick auf die Bundestagswahl auf, Digitalisierung für das Gemeinwohl zur zentralen Prämisse zu machen.
Vier Forderungen an die Bundesregierung
1. Digitale Souveränität: Die Politik muss die digitale Souveränität der Gesellschaft als oberste Maxime in ihrer Digitalpolitik verankern. Statt eines Digitalministeriums brauchen wir für die kommende Legislaturperiode eine digitale Mission mit digitaler Souveränität als Leitprinzip, die mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft verfasst und evaluiert wird.
2. Beteiligung und Transparenz: Die Zivilgesellschaft muss endlich die gleichen Möglichkeiten wie Wirtschaft und Wissenschaft erhalten, um ihre Expertise einzubringen. Dies wird durch eine Zivilgesellschaftsquote in politischen Beratungsgremien, Kommunikation und Transparenz zu Abläufen politischer Entscheidungsprozesse, gesetzlich festgelegte Fristen für Konsultationen sowie maschinenlesbare Dokumentation erreicht.
3. Öffentliches Geld, öffentliches Gut: Öffentlich geförderte Lösungen müssen für alle zugänglich sein, damit kein Wissen verloren oder Probleme doppelt gelöst werden. Deswegen muss für Staatsausgaben im digitalen Bereich gelten: „Public Money? Public Good!“ Das betrifft Software, Daten der öffentlichen Verwaltung (Open Data) sowie freies Wissen und offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) gleichermaßen.
4. Nachhaltige Digitalisierung: Die Digitalisierung kann nur dann gelingen, wenn der Aufbau von digitaler Infrastruktur wirtschaftlich und sozial gestaltet wird. Dazu müssen Diversität in der Digitalisierung sowie der Aufbau und die Wartung von sicheren dezentralen digitalen Infrastrukturen für die Gesellschaft langfristig gefördert werden.
Unterzeichnende Organisationen
Superrr Lab, gut.org,
etterplace ab, S , Free Software Foundation Europe, Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Liquid Democracy e.V., iRights.Lab, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF), Chaos Computer Club, Bundesverband Smart City e.V., mediale pfade, Stiftung Erneuerbare Freiheit, Center for the Cultivation of Technology, neuland21 e.V., Arbeitskreis Digitalisierung der BUNDjugend, Verstehbahnhof, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Wikimedia Deutschland e. V., Stiftung Neue Verantwortung , D64, epicenter.works e.V., Digitale Gesellschaft e.V.Launch-Event am 5. Mai 2021
Beim Launch-Event diskutieren Julia Reda (ehem. Mitglied des EU-Parlaments), Henning Tillmann (Softwareentwickler und Co-Vorstand von D64) und Julia Kloiber (Co-Gründerin Superrr Lab) am 5. Mai 2021 von 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr diese vier Forderungen. Moderiert wird die Runde von Katja Jäger (betterplace lab). Anschließend gibt es für alle Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in vier Themenräumen zu Lösungen, Maßnahmen und Handlungsaufforderungen auszutauschen. Weitere Informationen zum Launch-Event gibt es auf digitalezivilgesellschaft.org oder direkt hier kann mensch sich anmelden.
Zitate der Beteiligten
Der
Zugang zu Wissen und digitaler Infrastruktur entscheidet, wer in
Zukunft mitgestalten kann und wer abgehängt wird. Digitale
Selbstbestimmung ist deshalb eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.“
Elisa Lindinger & Julia Kloiber, Superrr Lab gGmbH
„Um
Vertrauen in digitale Systeme aufzubauen, muss staatlich geförderte und
genutzte Software so entwickelt werden, dass die volle Kontrolle über
sie ausgeübt werden kann. Wir fordern daher: Public Money, public Code!“
Constanze Kurz, Sprecherin Chaos Computer Club
„Warum
wird durch Steuergelder finanzierte Software nicht als Freie Software
veröffentlicht? Wenn es sich um öffentliche Gelder handelt, sollte auch
der Code öffentlich sein! Von allen bezahlter Code sollte für alle
verfügbar sein!“
Alexander Sander, Free Software Foundation Europe
„Nachhaltigkeit,
Digitalisierung und Demokratie stellen ein eng miteinander
verflochtenes, interdependentes Dreieck dar. Die unabhängige und
gemeinwohlorientierte Zivilgesellschaft engagiert sich für demokratische
Teilhabe und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Dafür
fordern wir z.B. einen „Nachhaltigkeitsindex Digitalisierung“.“
Hendrik Zimmermann, Referent Digitale Transformation, Germanwatch e.V.
„Digitalisierung
muss demokratisch gestaltet sein. Bei allen technischen Möglichkeiten
gilt, dass Technologien nur sinnvoll sind, wenn sie am Wohlergehen von
Mensch und Umwelt ausrichtet werden. Dafür stehen wir als digitale Zivilgesellschaft.“
Henriette Litta, Geschäftsführerin Open Knowledge Foundation Deutschland e. V.
„Der
Weg zur Teilhabe für alle führt über eine wertegeleitete
Digitalisierung. Diese kann nicht im Silo gestaltet werden, unsere
Forderungen müssen rein in einen co-kreativen Prozess, in der die
digitale Zivilgesellschaft mit der öffentlichen Hand und der
Privatwirtschaft gemeinsam Antworten findet.“
Katja Jäger, Außenministerin, betterplace lab
„Digitalisierung
ermöglicht Dank der Skaleneffekte eine umfangreiche Demokratisierung.
Die Partizipation aller Bürger:innen kann somit ermöglicht werden, damit
der technologische Fortschritt wieder primär dem Gemeinwohl dient.“
Daniel Bartel, Gemeinwohl-Innovator & Regionalsprecher SEND e.V. NRW
„Eine
Kommune stärkt ihre digitale Souveränität, indem sie geeignete
Datentechnik prozessual mit Governance und Beteiligungsmanagement im
Ökosystem verknüpft, sodass die demokratische Kontrolle des
Datenmanagements jederzeit gewährleistet ist.“
Stefan Slembrouck, Smart City Experte, Philosoph und Ambassador des Bundesverband Smart City e.V.
„Digitalisierung
ohne Werte ist Unsinn. Die Politik sollte die digitale
Zivilgesellschaft einbinden und unsere Forderungen ernst nehmen.
Gemeinsam können wir Innovationen so gestalten, dass sie demokratisch,
nachhaltig und sozial sind.“
Moritz Ritter, Geschäftsführer Liquid Democracy e.V.
„Der
Weg zu einer digital souveränen Gesellschaft führt über die Stärkung
des Gemeinwohls. Was mit öffentlichen Geldern finanziert wird, sollte
der Allgemeinheit zugute kommen – öffentliches Geld, öffentliches Gut.“
Abraham Taherivand, Geschäftsführender Vorstand, Wikimedia Deutschland e. V.
Kontakt bezüglich dieser Pressemitteilung
Rainer Rehak: E-Mail: rainer [punkt] rehak [ät] fiff.de
Betreff: „digitalezivilgesellschaft – Mitteilung vom 27.4.2021“
PGP: 0D66 63E5 70A3 964A EE60 D927 4427 CFE5 8C19 AE19
Über das FIfF
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Menschen, die sich kritisch mit Auswirkungen des Einsatzes der Informatik und Informationstechnik auf die Gesellschaft auseinandersetzen. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend in informatiknahen Berufen, vom IT-Systemelektroniker bis hin zur Professorin für Theoretische Informatik. Das FIfF wirkt in vielen technischen und nichttechnischen Bereichen der Gesellschaft auf einen gesellschaftlich reflektierten Einsatz von informationstechnischen Systemen zum Wohle der Gesellschaft hin. Zu unseren Aufgaben zählen wir Öffentlichkeitsarbeit sowie Beratung und das Erarbeiten fachlicher Studien. Zudem gibt das FIfF vierteljährlich die „FifF-Kommunikation – Zeitschrift für Informatik und Gesellschaft“ heraus und arbeitet mit anderen Friedens- sowie Bürgerrechtsorganisationen zusammen.